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Verlängerung der Übergangsfristen der MDR – was bedeutet das für Medizinproduktehersteller?

Autor: Marvin Kolb

Lesedauer:

Mrz 2023

Am 06.01.2023 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag zu einer weiteren Verlängerung der Übergangsfristen der MDR. Diesem Vorschlag hat das europäische Parlament nun zugestimmt. Daraus ergeben sich folgende Fragen:

  • Was ist der aktuelle Stand der Dinge?
  • Welche Bedingungen sind mit der Verlängerung der Übergangsfristen verbunden?
  • Welche neuen Übergangsfristen für Medizinprodukte gelten jetzt?
  • Die Abverkaufsfrist soll entfallen. Was heißt das?
  • Was ändert sich an den Anforderungen der MDR an die Usability?

Diese Fragen wollen wir Ihnen in diesem Artikel beantworten und somit Klarheit schaffen.

Der aktuelle Stand der Dinge

Seit dem 16.02.2023 steht es fest: Das Europäische Parlament hat dem Vorschlag der europäischen Kommission zur Änderung der Medical Device Regulation zugestimmt. Nach dem EU-Parlament hat nun auch der Rat der EU-Staaten ebenfalls zugestimmt. Jetzt folgt nur noch die formelle Annahme von Parlament und Staaten. Das soll Mitte März 2023 passieren. Dann werden die Neuerungen mit ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt wirksam.

Die wichtigste Neuerung hierbei: Die Übergangsfristen für Bestandsprodukte wurden verlängert.

Der Grund hierfür: Es sollen Lieferengpässe bei Medizinprodukten, die den „Umzug“ auf die MDR-Anforderungen nicht rechtzeitig schaffen würden, vermieden werden.

Die Europäische Kommission nennt in einer Presseerklärung als Grund „[…] damit die Hersteller und Benannten Stellen unter bestimmten Bedingungen mehr Zeit haben, um sich von den zuvor geltenden Vorschriften auf die Anforderungen der Verordnung umzustellen.“ (source: Europäische Kommission)

Aber warum ist das nötig? Folgende Gründe werden benannt:

  • „Die Umstellung auf die neuen Vorschriften verlief langsamer als erwartet.“
  • „Die COVID-19-Pandemie“
  • „Störungen der globalen Lieferketten“
  • „begrenzte Kapazitäten der für die Konformitätsbewertung zuständigen (Benannten) Stellen“
  • „der geringe Vorbereitungsstand der Wirtschaftsakteure“

(source: Europäische Kommission)

In dieser Presseerklärung der Europäischen Kommission heißt es weiterhin: „Ohne Gesetzgebungsmaßnahmen besteht die Gefahr, dass die Bereitstellung verschiedener Medizinprodukte auf dem Markt erheblich gestört wird.“

(source: Europäische Kommission)

Welche Bedingungen sind mit der Verlängerung der Übergangsfristen verbunden?

Betroffen sind „nur ältere Produkte, also solche, für die eine vor dem 26. Mai 2021 gemäß den Richtlinien 90/385/EWG oder 93/42/EWG des Rates ausgestellte Bescheinigung oder Konformitätserklärung vorliegt.“ (source: Europäische Kommission)

Zudem werden folgende Bedingungen gestellt. Die Zeiträume werden nur für Produkte verlängert, …

  • … die schon sicher sind.
  • … für die der Hersteller bereits Maßnahmen zum Übergang auf die MDR unternommen hat.

Einen weiteren Sonderfall gibt es bei den implantierbaren Sonderanfertigungen, die der Klasse III zugeordnet sind: Nur wenn vor dem 26. Mai 2024 eine Konformitätsbewertung beantragt wurde, verlängert sich der Übergangszeitraum bis zum 26. Mai 2026.

Welche neuen Übergangsfristen für Medizinprodukte gelten jetzt?

Ein wichtiger Hinweis zu Beginn: Die MDR gilt weiterhin für alle neuen Medizinprodukte. Hier wurde nichts nach hinten verschoben!

Die Übergangsfristen gelten nur für alle Medizinprodukte, deren Konformitätsbewertung VOR dem 26. Mai 2021 abgeschlossen wurde. Sie sind nach Risikoklasse gestaffelt und sehen wie folgt aus:

Klasse I: 26.05.2021 (hier ändert sich nichts!)

Klasse Ir: 31.12.2028

Klasse Is: 31.12.2028

Klasse Im: 31.12.2028

Klasse IIa: 31.12.2028

Klasse IIb: 31.12.2028

Klasse IIb (implantierbare Produkte): 31.12.2027

Klasse III: 31.12.2027

Klasse III (implantierbare Produkte): 26.05.2026

Die Abverkaufsfrist soll entfallen. Was heißt das?

Die Abverkaufsregelung stellt sicher, dass Medizinprodukte, die vor Inkrafttreten der MDR oder während des Übergangszeitraums von MDD auf MDR in Verkehr gebracht wurden, noch bis Mai 2025 weiter bereitgestellt werden und ab dann aus dem Verkehr genommen werden (festgelegt in Artikel 120(4) der MDR). Hierbei handelt es sich immer um Produkte, deren Sicherheit bereits nachgewiesen wurde!

Diese Regelung soll jetzt entfallen. Das gilt ebenfalls für die von der IVDR betroffenen IVDs. Bereits in Verkehr gebrachte IVDs und Medizinprodukte dürfen also auch über 2025 hinaus weiterhin verkauft werden.

Die Gründe hierfür: Das Festhalten an einer solchen Regelung würde gegebenenfalls dafür sorgen, dass sichere Medizinprodukte entsorgt werden müssten. Auch einem Engpass an betroffenen Produkten möchte man vorbeugen durch die Streichung der Abverkaufsfrist.

Was ändert sich an den Anforderungen der MDR an die Usability?

Nichts! Es gelten weiterhin alle Artikel, die wir im folgenden Artikel aufgeführt und „übersetzt“ haben: „Deep Dive: MDR und Usability“.

Fazit

Die neuen Übergangsfristen sollen Lieferengpässen entgegenwirken und den Herstellern von Medizinprodukten mehr Zeit geben, auf die Anforderungen der MDR zu reagieren. Allerdings gilt das nur für Produkte, für die eine vor dem 26. Mai 2021 ausgestellte Bescheinigung oder Konformitätserklärung vorliegt (Ausnahme: implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III).

Weitere Voraussetzungen: Die Medizinprodukte müssen schon nachweislich sicher sein und es müssen schon erste Schritte hin zur Umstellung auf MDR-Standard unternommen worden sein.

Das Entfallen der Abverkaufsfrist soll Lieferengpässen bei bestimmten Produkten vorbeugen und die Entsorgung sicherer Medizinprodukte verhindern.

Ist eines Ihrer Produkte von den Änderungen betroffen? Was ist Ihr konkreter Fall? Kommentieren Sie diesen Beitrag oder melden Sie sich über unser Kontaktformular. Wir freuen uns auf Sie.

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