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Human Factors Validation – die Grundlagen auf einen Blick (Teil 1)

Autor: Benjamin Franz

Lesedauer:

Nov 2023

Eine erfolgreiche Human Factors Validation oder Human Factors Validation Study ist für viele Produkte ein essenzieller Bestandteil der Zulassung Ihres Medizinprodukts nach FDA-Standards. Damit sie gelingt, sollten Sie möglichst früh alle Bestandteile kennen. Um Ihnen dabei zu helfen, haben wir uns die Hilfestellung, das Guidance Dokument „Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices“, der U.S. Food and Drug Administration (FDA) genauer angesehen.

In diesem Artikel finden Sie die einzelnen Punkte zur Human Factors Validation zusammengefasst. Teil 2 finden Sie in Kürze hier verlinkt.

Viel Spaß beim Lesen!

 

Die Grundlage: Human Factors Engineering und die Wichtigkeit für die Medizinprodukteentwicklung?

Human Factors Engineering hat das Ziel, eine einfache und sichere Nutzung von Medizinprodukten zu ermöglichen. Dafür werden die menschlichen Fähigkeiten, Grenzen und Eigenschaften berücksichtigt und in den Entwicklungsprozess einbezogen.

Das soll erreicht werden indem Hersteller mögliche Anwendungsfehler und daraus resultierende Schäden durch eine gezielte Produktauslegung minimieren müssen. Um nachzuweisen, dass dies erreicht wurde, steht am Ende des Human Factors Engineering Prozesses ein abschließender und bewertender Test des Produkts. Dieser Test nennt sich Human Factors Validation.

Die Ergebnisse und der gesamte vorangegangene Prozess werden im Human Factors Report gesammelt und bei der FDA eingereicht.

 

Und wie setzen Sie alles um? Hilfestellung: Applying Human Factors

Um die Anforderungen der FDA auch gezielt umsetzen zu können, liefert diese immer wieder Guidance Dokumente, die wichtige Hilfestellung leisten und ein besseres Verständnis dafür schaffen, wie die Umsetzung gelingt.

Ein solches Dokument ist „Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices”. In Kapitel 8 finden Sie alle Anmerkungen zum Human Factors Validation Testing.

Im Folgenden haben wir Ihnen die Inhalte zusammengefasst.

 

Allgemeine Hinweise zum Human Factors Validation Testing:

Das Kapitel zum „Human Factors Validation Testing“ thematisiert die Durchführung von Tests, um zu gewährleisten, dass ein Gerät von seinen Zielnutzern sicher und effektiv für die vorgesehenen Zwecke und unter realen Bedingungen genutzt werden kann. Die Tests sollten alle Benutzerfehler aufdecken können, die durch das Design der Benutzeroberfläche verursacht werden und realitätsnah gestaltet sein.

Zusammengefasst sind die Hauptpunkte für das Design des Human Factors Validation Testing:

  • Die Testteilnehmer sollten die tatsächlichen Nutzer repräsentieren.
  • Alle kritischen Aufgaben müssen im Test berücksichtigt werden.
  • Die Benutzeroberfläche sollte im finalen Design vorliegen.
  • Die Testbedingungen müssen realistisch sein.

Das Human Factors Validation Testing muss sensibel genug sein, um auch unbewusste Benutzerfehler zu erfassen, und darf keine ernsthaften Gefahren durch Designmängel übersehen. Die Ergebnisse sollten allgemeingültig sein, um die Sicherheit und Effektivität des Geräts unter realen Bedingungen zu bestätigen. Das Testprotokoll muss eine detaillierte Diskussion aller kritischen Aufgaben und der Datenerhebungsmethoden enthalten, und die Testergebnisse sollten eine umfassende Analyse aller aufgetretenen Benutzerfehler ermöglichen.

Obwohl Human Factors Validation Testing typischerweise in simulierten Umgebungen durchgeführt wird, kann es in bestimmten Fällen auch unter realen Bedingungen oder als Teil einer klinischen Studie stattfinden. Hersteller werden angehalten, ihre Testprotokolle vorab einzureichen, um die Akzeptanz der geplanten Methoden sicherzustellen.

(Source: Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices, Kapitel 8)

 

Die simulierte Nutzung:

Die Testbedingungen für simuliertes Nutzungsszenarien müssen realistisch genug sein, um valide Schlussfolgerungen für die tatsächliche Anwendung zu erlauben. Die Relevanz des Realismus ergibt sich aus der Risikoanalyse bezogen auf den spezifischen Einsatz des Geräts, die Benutzer, die Einsatzumgebungen und die Benutzeroberfläche. Umweltfaktoren wie schlechte Beleuchtung oder Ablenkungen sollten in die simulierte Umgebung einfließen.

Während des Human Factors Validation Testing sollen Teilnehmer das Gerät möglichst unabhängig und natürlich nutzen können, ohne Beeinflussung durch den Testleiter.

Beschriftungen und Hilfsmittel, die im realen Einsatz verfügbar sind, sollten auch im Test vorhanden sein, aber ihre Nutzung sollte den Teilnehmern freigestellt sein. Eine separate Bewertung dieser Elemente kann nach dem simulierten Test erfolgen. Falls telefonische Hilfe im realen Einsatz verfügbar ist, kann sie im Test simuliert werden, sollte jedoch nicht im selben Raum angeboten werden und die Benutzer nicht durch den Test führen.

(Source: Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices, Kapitel 8)

 

Die Testteilnehmer:

Für Human Factors Validation Tests ist entscheidend, dass die Testteilnehmer die tatsächliche Zielgruppe des Produkts repräsentieren. Generell sollten mindestens 15 Teilnehmer pro Benutzergruppe teilnehmen, wobei mehrere unterschiedliche Benutzergruppen (z.B. nach Alter, Beruf oder Rolle) berücksichtigt werden müssen. Die Teilnehmer sollten ein breites Spektrum an Charakteristika innerhalb ihrer Gruppe abdecken, inklusive möglicher funktionaler Einschränkungen. Tests sollten vorzugsweise mit US-Teilnehmern durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse auf die tatsächlichen Bedingungen in den USA übertragbar sind. Mitarbeiter des Herstellers sollten nur in Ausnahmefällen als Testteilnehmer dienen.

(Source: Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices, Kapitel 8.1.1)

 

Aufgaben und Nutzungsszenarien:

Das Human Factors Validation Testing muss alle kritischen Aufgaben abdecken, die aus vorangegangenen Analysen und Bewertungen hervorgegangen sind und diese in logischen, natürlichen Arbeitsabläufen als Nutzungsszenarien im Testprotokoll darstellen.

Je nach Komplexität des Geräts und der Anzahl der kritischen Aufgaben können mehrere Testsessionen erforderlich sein. Für jede Aufgabe sollte im Vorfeld festgelegt werden, was als erfolgreiche Benutzerleistung gilt.

Das Testprotokoll sollte ebenfalls begründen, in welchem Umfang und wie häufig die Teilnehmer das Gerät nutzen sollen.

Besondere Aufmerksamkeit muss seltenen Tätigkeiten geschenkt werden, bei denen Fehler ernsthafte Folgen haben können; diese müssen dem Risiko entsprechend im Test berücksichtigt werden. Seltene und risikoreiche Nutzungsszenarien sind entscheidend für die Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit medizinischer Geräte.

(Source: Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices, Kapitel 8.1.2)

 

Instructions for Use:

Im Rahmen der formativen Evaluation kann bereits das Design der IFUs begutachtet werden, doch sollte die Beschriftung im Human Factors Validation Testing das endgültige Design widerspiegeln. Dies bezieht sich auf alle Etiketten am Gerät und am Zubehör, Display-Informationen, Verpackungen und dazugehörige Beschriftungen, Gebrauchsanweisungen, Benutzerhandbücher sowie Schnellstartanleitungen.

Obwohl das Human Factors Validation Testing indirekt zur Bewertung der Eignung der Gebrauchsanweisung genutzt werden kann, geschieht dies ausschließlich im Rahmen der tatsächlichen Gerätenutzung, einschließlich des erworbenen Wissens der Teilnehmenden über essenzielle Aspekte der Gerätenutzung. Ziel ist es zu evaluieren, inwiefern die Gebrauchsanweisung die sichere und effektive Nutzung des Geräts unterstützt.

Mängel in der Gerätebeschriftung und den IFUs werden durch die Leistungen der Teilnehmenden oder durch subjektives Feedback offenkundig. Sollten sich im Human Factors Validation Testing kritische Nutzungsfehler oder Hinweise auf Schwierigkeiten bei essenziellen Aufgaben durch Teilnehmerfeedback zeigen, ist es nicht hinnehmbar, bereits in einer Vorab-Einreichung zu behaupten, die Risiken würden durch Änderungen der Gebrauchsanweisung oder anderer Beschriftungselemente gemindert, sofern nicht zusätzliche Testdaten vorliegen, die belegen, dass die vorgenommenen Änderungen tatsächlich zur Reduktion der Risiken auf ein akzeptables Niveau beigetragen haben.

(Source: Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices, Kapitel 8.1.3)

 

Schulung der Nutzer:

Die im Human Factors Validation Test bereitgestellte Schulung sollte dem entsprechen, was tatsächliche Benutzer erhalten. Wenn die meisten Benutzer kaum oder keine Schulung erhalten, sollten auch die Testteilnehmer ungeschult sein.

Ergebnisse aus dem Human Factors Test, die Nutzungsfehler bei kritischen Aufgaben oder Schwierigkeiten mit diesen zeigen, können nicht einfach durch das Versprechen „zusätzlichen Trainings“ in einer Vorab-Einreichung gemildert werden, es sei denn, es werden Daten vorgelegt, die die Wirksamkeit dieser Maßnahme belegen.

Die Schulungsinhalte, -formate und -methoden sollten soweit möglich denen entsprechen, die tatsächliche Benutzer erhalten, und das Testen sollte nicht unmittelbar nach der Schulung stattfinden, um den Zerfall des Gelernten zu berücksichtigen. Die Lücke zwischen Training und Test sowie die im Test bereitgestellte Schulung sollten im Testprotokoll genau beschrieben werden.

Der falsche Einsatz von Training für die Human Factors Studie ist im Kontakt mit der FDA immer wieder ein Grund für Ablehnung oder Bemängelung der Studie und führt dadurch zu vielen Verzögerungen und unnötigen Mehrkosten im Zulassungsprozess.

(Source: Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices, Kapitel 8.1.4)

 

Fazit

Das Human Factors Validation Testing spielt eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit und Effektivität medizinischer Geräte. Es ermöglicht Herstellern, potenzielle Benutzerfehler und Designmängel vor der Markteinführung zu identifizieren und zu beheben, um so das Risiko für Anwender und Patienten zu minimieren. Die Durchführung solcher Tests unter realistischen Bedingungen stellt sicher, dass die Ergebnisse zuverlässig und übertragbar sind.

Hier sind nochmal die Kernpunkte, die das Guidance Dokument der FDA von Ihnen verlangt:

  • Die Testteilnehmer sollten die tatsächlichen Nutzer repräsentieren.
  • Alle kritischen Aufgaben müssen im Test berücksichtigt werden.
  • Die Benutzeroberfläche sollte im finalen Design vorliegen.
  • Die Testbedingungen müssen realistisch sein.

 

Den zweiten Teil dieses Artikels, in dem Sie alles über die Datenerhebung, Datenauswertung und einige Spezialfälle von Human Factors Validation Testing erfahren, finden Sie hier. Wir würden uns freuen, wenn Sie auch dann wieder mitlesen.

Sie brauchen Hilfe bei der Planung, Durchführung und Dokumentation Ihrer Human Factors Validation? Melden Sie sich gerne über unser Kontaktformular. Wir freuen uns auf Sie.

 

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