Mehr Infos

Was sind die Bestandteile einer Human Factors Validation?

Autor: Marvin Kolb

Lesedauer:

Feb 2024

Eine erfolgreiche Human Factors Validation oder Human Factors Validation Study ist für Medizinprodukte ein essenzieller Bestandteil der Zulassung nach FDA-Standards. In diesem Artikel möchten wir Ihnen einen ersten Überblick über die Bestandteile einer Human Factors Validation geben.

Viel Spaß beim Lesen!

 

Grundlagen des Human Factors Engineering:

Das Human Factors Engineering strebt an, eine sichere und benutzerfreundliche Nutzung von Medizinprodukten sicherzustellen. Durch die Berücksichtigung menschlicher Fähigkeiten und Grenzen im Entwicklungsprozess soll die Entstehung von Anwendungsfehlern minimiert werden. Am Ende dieses Prozesses steht der HFV-Test, der sicherstellen soll, dass das Produkt sicher und effektiv genutzt werden kann.

 

Umsetzungshilfe durch „Applying Human Factors“:

Die FDA stellt mit dem Dokument „Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices“ eine wertvolle Ressource bereit. In Kapitel 8 dieses Dokuments werden spezifisch die Anforderungen und Empfehlungen für den HFV-Test beleuchtet.

 

Allgemeine Hinweise zum Testing:

Eine erfolgreiche HFV erfordert die Einbeziehung repräsentativer Testteilnehmer, die Berücksichtigung aller kritischen Aufgaben, die Verwendung der finalen Benutzeroberfläche und die Schaffung realistischer Testbedingungen. Sensibles Testing ist notwendig, um auch unbewusste Benutzerfehler zu erfassen und keine ernsthaften Gefahren durch Designmängel zu übersehen.

 

Simulierte Nutzung:

Die Bedingungen für die simulierte Nutzung müssen realistisch genug sein, um valide Schlussfolgerungen für die tatsächliche Anwendung zu erlauben. Hierbei fließen Umweltfaktoren wie Beleuchtung oder Ablenkungen mit ein. Die Unabhängigkeit der Teilnehmer und die Berücksichtigung realer Nutzungsszenarien sind entscheidend.

 

Testteilnehmer:

Die Auswahl der Testteilnehmer ist von grundlegender Bedeutung. Mindestens 15 Teilnehmer pro Benutzergruppe, die die tatsächliche Zielgruppe repräsentieren, werden empfohlen. Eine breite Abdeckung von Charakteristika, einschließlich möglicher funktionaler Einschränkungen, ist essentiell.

 

Aufgaben und Nutzungsszenarien:

Der HFV-Test muss alle kritischen Aufgaben und vorab identifizierten Nutzungsszenarien abdecken. Die Definition erfolgreicher Benutzerleistungen und die Beachtung seltener, risikoreicher Szenarien sind unerlässlich.

Um die Menge der zu prüfenden Szenarien zu reduzieren, während dennoch eine umfassende Abdeckung kritischer Aufgaben und Nutzungsszenarien gewährleistet wird, können verschiedene Ansätze verfolgt werden. Dies umfasst die Priorisierung und Kategorisierung von Szenarien, die Auswahl von Randfällen sowie die Nutzung von Heuristiken und Erfahrungswerten. Die Automatisierung von Tests spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, um die Effizienz zu steigern. Durch die Anwendung dieser Ansätze kann die Testabdeckung optimiert werden, indem unnötige Duplizierungen vermieden und der Fokus auf relevante Szenarien gelegt wird.

 

 

 

Instructions for Use (IFUs):

IFUs sollten das endgültige Design widerspiegeln. Die Evaluierung der Gebrauchsanweisungen erfolgt im Rahmen der tatsächlichen Gerätenutzung. Mängel in der Beschriftung oder den IFUs werden durch die Leistungen der Teilnehmer oder durch subjektives Feedback aufgedeckt.

 

Schulung der Nutzer:

Die im HFV-Test bereitgestellte Schulung sollte der realen Nutzersituation entsprechen. Das heißt, in Ihrer Human Factors Validation müssen die selben Nutzungsbedingungen wie in der realen Nutzung vorliegen – gibt es beispielsweise bei der echten Anwendung Störgeräusche, die Stress beim Nutzer auslösen können, müssen diese auch simuliert werten. Milderung von Nutzungsfehlern durch zusätzliches Training ist nur akzeptabel, wenn nachgewiesen wird, dass es effektiv ist. Der Einsatz von Schulungsinhalten, -formaten und -methoden sollte die tatsächliche Nutzersituation widerspiegeln.

 

Datenerhebung:

Im HFV-Test sollten sowohl beobachtbare Daten als auch Wissens- und subjektive Erfahrungen der Teilnehmer erfasst werden. Beobachtbare Daten umfassen die Leistung der Teilnehmer bei kritischen Aufgaben und Nutzungsfehler. Wissensdaten, besonders bei komplexen Aufgaben, werden durch Befragung der Teilnehmer erfasst. Interviews nach dem Test bieten Einblicke in subjektive Einschätzungen und Perspektiven.

 

 

 

Auswertung der Daten:

Die Analyse der gesammelten Daten erfolgt qualitativ. Ziel ist es, die Wurzeln für aufgetretene Nutzungsfehler oder Schwierigkeiten zu identifizieren. Die erkannten Ursachen werden im Hinblick auf die verbundenen Risiken analysiert, um das Potenzial für mögliche Schäden zu bestimmen und die Dringlichkeit weiterer Risikomanagement-Maßnahmen festzulegen.

 

Bewertung des Restrisikos:

Nach der HFV-Analyse bleibt ein Restrisiko bestehen. Die Bewertung dieses Risikos ist entscheidend. Ergebnisse, die ernsthafte Nutzungsfehler aufzeigen, sind akzeptabel, wenn nachgewiesen wird, dass eine weitere Reduktion nicht möglich ist und die Vorteile des Geräts die verbleibenden Risiken überwiegen.

 

Testing für modifizierte Produkte:

Bei modifizierten, bereits auf dem Markt befindlichen Geräten erfordert die Überprüfung von HFV eine umfassende Risikoanalyse. Eine erneute HFV kann notwendig sein, wobei der Fokus auf den durch Designänderungen beeinflussten Bereichen liegt. Die Bewertung durch den Vergleich zwischen altem und neuem Design ist dabei besonders effektiv.

 

Testing durch echte Nutzung:

Tests durch echte Nutzung sind für besonders komplexe Geräte erforderlich. Sie sollten auf vorherige simulierte Tests folgen und repräsentative Testteilnehmer sowie realistische Umgebungen berücksichtigen. Selbstberichte der Benutzer sollten durch Beobachtungsdaten ergänzt werden.

 

Dokumentation:

Die Dokumentation aller HFV-Tests und Analysen ist von zentraler Bedeutung für die FDA-Prüfung. Ein detaillierter Human Factors Report ist erforderlich, um die Einhaltung der FDA-Standards zu gewährleisten.

 

Fazit

Die erfolgreiche Durchführung eines HFV-Tests erfordert die Simulation realistischer Nutzungsszenarien, die Auswahl repräsentativer Testteilnehmer und die Berücksichtigung aller kritischen Aufgaben. Die Evaluation der Gebrauchsanweisungen sowie die Schulung der Nutzer sollten der realen Nutzersituation entsprechen.

Die Datenerhebung während des Tests umfasst beobachtbare Daten, Wissensdaten und subjektive Erfahrungen der Teilnehmer, während die Analyse darauf abzielt, Ursachen für auftretende Nutzungsfehler zu identifizieren und das Restrisiko zu bewerten. Eine umfassende Dokumentation aller HFV-Tests und Analysen ist entscheidend für die Einhaltung der FDA-Standards und die Gewährleistung der Produktsicherheit.

All diesen Bestandteilen müssen Sie besondere Aufmerksamkeit widmen. Wie Sie im Detail mit den einzelnen Punkten umgehen, erfahren Sie in unseren Artikeln: „Human Factors Validation – die Grundlagen auf einen Blick (Teil 1)“ und „Human Factors Validation – die Grundlagen auf einen Blick (Teil 2)“.

Sie brauchen Hilfe bei der Planung, Durchführung und Dokumentation Ihrer Human Factors Validation? Melden Sie sich gerne über unser Kontaktformular. Wir freuen uns auf Sie.

 

 

 

0 / 5 (0)

Halten Sie sich mit unserem Newsletter auf dem Laufenden

E-Mail *
Hidden
Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.

Das könnte Sie auch interessieren

Ich musste noch nie Usability machen – warum denn jetzt?

Die MDR hat sich (unter anderem) zum Ziel gesetzt, sichere und innovative Medizinprodukte zu garantieren. Um eine sichere Bedienung zu gewährleisten, werden einige Anforderungen an die Usability Ihres Produkts gestellt. Diese finden Sie hauptsächlich in den „Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen“ (Anhang 1 der MDR). Da Anhang 1 für alle Medizinprodukte gilt, sind Sie verpflichtet, sich für die Einhaltung der dort gemachten Forderungen mit der Usability auseinanderzusetzen.

mehr lesen